
Ralph Sondermann
Seit 2017 ist Karl-Josef Laumann Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW. Aus seiner großen Erfahrung heraus, gibt er uns exklusiv Antworten auf die drängenden Fragen in diesen Themenbereichen.
Herr Minister, worin sehen Sie die größte Herausforderung der kommenden Jahre, um einen drohenden Kollaps unseres Pflegesystems zu verhindern?
Die größte Herausforderung ist es, die Versorgungssicherheit sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich und in der Tagespflege sicher stellen zu können. Dafür brauchen wir vor allem genügend Fachkräfte. Die Fachkräftesicherung in der Pflege ist deshalb ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung. Unter der Fachkräfteoffensive Nordrhein-Westfalen wurde daher das „Zukunftsbündnis Pflege-, Betreuungs- und Gesundheitsfachberufe“ ins Leben gerufen. Für die Umsetzung von Maßnahmen daraus sind Mittel in Höhe von 500.000 Euro vorgesehen.
Allein in 2024 sind für den Landesanteil zur Finanzierung der Pflegefachausbildung 143,5 Mio. Euro geplant. Wachsenden Bedarf gibt es auch in der Ausbildung zur Pflegefachassistenz.
Die Schulgeldfreiheit in den Ausbildungen der Gesundheitsfachberufe hat die Attraktivität der Ausbildungen enorm gesteigert – wir haben ein Plus von 34 Prozent bei den besetzten Ausbildungsplätzen. Über ein Gesetz soll der Anspruch in 2024 dauerhaft gesichert werden.
Die Landesregierung hat das Thema der „Bekämpfung von Einsamkeit“ zu einem ihrer Hauptthemen erklärt: Im bevölkerungsreichsten Bundesland, in dem so viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, scheint dies ein Widerspruch zu sein. Warum müssen wir das Thema dennoch dringend angehen?
Weil es heute nicht mehr selbstverständlich ist, in Beziehungen und Familien eingebunden zu sein, droht schleichend verloren zu gehen, was wir als älterwerdende Menschen und als al-ternde Gesellschaft unbedingt bewahren sollten: das aufeinander achtgeben und sich küm-mern. Allein in Nordrhein-Westfalen gelten über 14 Prozent der Menschen als von Einsamkeit betroffen.
Hilfe kann nicht früh genug ansetzen: Eine von der Staatskanzlei in Auftrag gegebene Studie der Ruhr-Universität Bochum und dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit kommt aktuell zu dem Ergebnis, dass Einsamkeit schon bei Jugendlichen sehr verbreitet ist und
vermutlich durch die COVID-19-Pandemie zugenommen hat. Ältere Menschen wiederum
verlieren etwa durch Trennung und Tod geliebte Menschen. Und mit abnehmender Mobilität im Alter wird auch seltener die Wohnung verlassen. Tendenziell werden ältere Menschen, die kaum noch Kontakte haben, auch eher pflegebedürftig.
Schon aus diesem Grund müssen wir das Problem angehen und die Teilhabe stärken. Wer sich engagiert, ist weniger allein. Ob Chor, Musikkapelle oder der Kaffeeklatsch im Heimatverein: Es gibt viele Möglichkeiten sich einzubringen und Gemeinschaft zu leben und zu erleben.
Der deutsche Arbeitsmarkt war aufgrund der richtigen Reformen zu Beginn dieses Jahrtausends in der Lage, Europa durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu bringen. Auf Bundesebene verzichtet die Koalition aus SPD, Grüne und FDP beim Prinzip des „Förderns & Forderns“ erkennbar auf das „Fordern“. Was ist jetzt nötig?
Ich bin der Auffassung, dass wir in der aktuellen Situation einen Fokus auf Vermittlung setzen müssen. Denn es ist schwer verständlich, dass wir auf der einen Seite nicht nur einen Fach-, sondern einen Arbeitskräftemangel haben, auf der anderen Seite aber immer noch sehr viele Menschen ohne Arbeit sind. Ein großes Problem ist, dass mit dem Bürgergeld das Signal ausgesendet wurde, dass es keine Mitwirkungspflichten und Sanktionen mehr gibt. Das ist nicht in Ordnung. Es muss völlig klar sein, dass Fördern und Fordern unabdingbar zusammengehört. Wer Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss aktiv daran mitwirken, eine Arbeit zu finden.
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