
In den vergangenen Wochen näherte sich die Frontlinie immer deutlicher unserer Partnerstadt Saporishja an. Die Menschen dort lebten und leben in Angst und Schrecken vor dem russischen Überfall in der Ukraine. Die Betroffenheit der CDU-Fraktion ist auch wegen der nach wie vor zahlreich gepflegten Kontakte nach Saporishja enorm. Die Stadtverordnete Marita Wolter berichtet, wie es ihren Kontakten dort und auch ihr selbst beim Hören der Nachrichten aus der Partnerstadt in den letzten Wochen erging:
„Am 23. Februar spürte man – im Angesicht des massiven russischen Aufmarsches – die Anspannung, die die Situation prägte. Aber selbst da hätte ich nicht geglaubt, dass die schlimmsten Befürchtungen schon am nächsten Tag eintreten. Es war eine schlichte Blauäugigkeit, die mich – und ich vermute auch viele andere Menschen – trug. Schon am nächsten Tag allerdings sollte sich die Welt grundlegend verändern.
Angst und Schrecken, das ist es, was die Menschen in Saporishja erleiden müssen. Ich selbst bin in den vergangenen Wochen und Monaten getrieben von großer Sorge und einer unendlichen Traurigkeit. Wenn ich beim Klingeln des Telefons die ukrainische Vorwahl ‚+380‘ lese, zucke ich instinktiv zusammen. Die Berichte, die mich seit Beginn des Krieges aus der Ukraine erreichen, lassen hautnah die Konsequenzen des verbrecherischen Angriffs für die Menschen vor Ort erkennen. Stellen Sie sich eine Situation vor, in der die Sirenen aufgrund eines Artillerie- oder Luftangriffs heulen, Sie aber keine Möglichkeit sehen, wieder in die Luftschutzbunker zu gehen, weil die Umstände dort besonders für Ihre Kinder so angsterfüllt prägend sind, dass Sie sich dagegen entscheiden müssen. Mich erinnert es auf dramatische Art und Weise auch an den 11. September 2001 in New York, als sich Menschen – im Angesicht der Feuerhölle hinter ihnen – für den freien Fall aus 400 Metern Höhe entschieden. Einfach schrecklich und unvorstellbar!
Ich denke derzeit auch sehr oft an die zahlreichen zurückliegenden Erfahrungen und Eindrücke, die ich im Laufe vieler Jahre in diesem Land sammeln durfte. Über 20 Jahre habe ich als Lehrerin der Friedrich-Ebert-Realschule durch unsere Schulpartnerschaft und als Ratsmitglied bei zahlreichen Besuchen der Ukraine Entwicklung, Wachstum und Stolz auf das eigene Land erleben dürfen. Wohnkomplexe wurden erstellt, Brücken gebaut, Straßen, Parks und Plätze modern gestaltet, Hotels, Restaurants und Cafés eröffnet. Neben großen Supermärkten wurden die bestehenden Märkte erweitert und auch international bekannte Marken ließen sich in der Stadt nieder. Menschen, die eine unglaubliche Gastfreundschaft pflegen, mit viel Herz und großem Stolz auf ihre Heimat blicken und dabei doch bescheiden und zurückhaltend sind. Das waren positive, glückliche und unbeschwerte Zeiten in der Ukraine. Als ich 1995 erstmals mit einer Schülergruppe dort war, haben wir alles als ein Abenteuer erlebt. Wir waren beeindruckt von dem Land und der Gastfreundschaft der Menschen. In dieser Anfangszeit spürte man, wie stolz die Menschen auf ihre junge Unabhängigkeit von Russland waren. Man sah noch deutlich die Spuren der Sowjetunion, aber man fühlte eben welche Aufbruchstimmung die neu gewonnene Freiheit auslöste. Unsere Gruppe hat die Menschen in Saporishja sofort schätzen gelernt und war, trotz der oftmals schwierigen finanziellen Verhältnisse, so uneingeschränkt willkommen, was uns alle berührte und wirklich auch überwältigte. Es sind gerade auch diese Erfahrungen von und mit den herzlichen Menschen in der Ukraine, die mich angesichts des Krieges sprachlos machen. Zu wissen, dass den Menschen, den Kindern, auch denen, die wir persönlich kennengelernt haben, ein solches Unglück widerfährt, ist unerträglich.
All dies ist in Saporishja durch Russlands Wahnsinn in Gefahr und zu großen Teilen schon zerstört. Durch meine Kontakte und die Berichterstattungen in unseren Medien hier merkt man aber, dass die Ukrainer ihre Kultur, ihre Gesellschaft und ihr Land nicht aufgeben. Sie kämpfen für das, was sie sind und haben mit einem enormen Willen und das ist für mich der Funke, der die Hoffnung am Ende nicht sterben lässt. Putin mordet und nimmt das Land ein: Er wird aber nicht die Ukraine brechen!“
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